Rubrik: Wissen
Bewertung von Optionen: wie wird der Preis einer Option bestimmt?
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(Bild: Pixabay, Author: Lorenzo Cafaro. Bild wurde weiter bearbeitet.)
Das Wichtigste in Kürze
In diesem Beitrag geht es um die Grundlagen der Optionsbewertung. Nach einer allgemeinen Einführung in die Zusammensetzung des Optionswerts und dessen Einflussfaktoren schauen wir uns an, wie sich der Stillhalter dieses Wissen zunutze machen kann.
Wie immer zunächst das Wichtigste in Kürze:
- Das Binomialmodell und das Black-Scholes Modell sind die gängigsten Modelle zur Bewertung von Optionen. Die wichtigsten Faktoren, welche den Optionswert beeinflussen, sind das Verhältnis zwischen Aktienkurs und Basispreis, die verbleibende Laufzeit und die implizite Volatilität.
- Der Optionswert setzt sich aus einem inneren Wert und einem Zeitwert zusammen. Der innere Wert berechnet sich aus der Differenz zwischen Aktienkurs und Basispreis, während sich der Zeitwert aus der Differenz zwischen dem Börsenkurs der Option und deren inneren Wert ergibt.
- Je länger die verbleibende Laufzeit, desto höher der Zeitwert (wenn alle anderen Faktoren gleichbleiben). Zeitwertverfall beschreibt die Tatsache, dass der Optionswert mit dem Verstreichen von Zeit unaufhaltsam abnimmt. Das kommt dem Stillhalter zugute.
- Je höher die implizite Volatilität, desto höher der Zeitwert (wenn alle anderen Faktoren gleichbleiben). Man unterscheidet zwischen historischer und impliziter Volatilität – die erste ist vergangenheits- und die andere zukunftsorientiert. Im Allgemeinen misst die Volatilität das Ausmaß der Kursschwankungen über einen gewissen Zeitraum.
- Verschiedene Stillhalter-Strategien nutzen die Eigenschaften des Zeitwertverfalls und der impliziten Volatilität, um das Risiko-Rendite Verhältnis zu optimieren.
Bewertung von Optionen: Grundlagen
Bewertungsmodelle: was beeinflusst den Optionspreis?
Am Ende bestimmen Angebot und Nachfrage den Optionspreis, wobei sich natürlich an der Börse nicht alles rational erklären lässt. Dennoch bieten verschiedene Bewertungsmodelle Anhaltspunkte dafür, wie der Wert von Optionen bestimmt wird.
Bei Aktienoptionen kommt insb. das Cox-Ross-Rubinstein Modell (oft einfach Binomialmodell genannt) zum Einsatz, da es sich auf amerikanische Optionen anwenden lässt. Das ebenfalls sehr populäre Black-Scholes-Merton Modell (oft nur Black-Scholes Modell) findet hingegen nur auf europäische Optionen Anwendung. Wodurch sich Optionen amerikanischer und europäischer Art unterscheiden wurde hier bereits näher erläutert.
Auf die mathematische Herleitung dieser Bewertungsmethoden soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. Wer dazu mehr erfahren möchte, findet kostenlose und gut verständliche Videos dazu z.B. auf studiflix.de1.
Was man für den erfolgreichen Handel als Stillhalter verstehen sollte sind die wesentlichen Einflussfaktoren auf den Preis einer Option. Das sind die Variablen der oben genannten Modelle, die den Wert von Optionen bestimmen:
- Aktienkurs & Basispreis: die Differenz zwischen diesen beiden Werten bestimmt den sogenannten inneren Wert einer Option.
- Laufzeit: je länger die Laufzeit, desto mehr Zeit hat der Aktienkurs, sich in eine bestimmte Richtung zu bewegen. Das wirkt sich auf den sogenannten Zeitwert der Option aus.
- Volatilität: je höher sie ist, desto höher sind die erwarteten Kursschwankungen während der Optionslaufzeit. Auch das wirkt sich auf den Zeitwert der Option aus.
- Risikoloser Zinssatz: sinkt er, sinkt der Wert eines Calls und steigt der Wert eines Puts. Allerdings spielt der Zins gegenüber den anderen Faktoren in der Praxis eine untergeordnete Rolle, da Zinsänderung selten und i.d.R. geringfügig sind (+/- 0,25%).
- Dividenden: schüttet eine Aktie während der Laufzeit eine Dividende aus, nimmt dies natürlich ebenfalls Einfluss auf die Optionsbewertung. Da (ceteris paribus) der Aktienwert am Ex-Dividend Datum um den Wert der auszuzahlenden Dividende sinkt, sinken Call- bzw. steigen Put-Preise entsprechend. Außer bei Aktien mit sehr hoher Dividendenrendite ist die praktische Auswirkung auf den Optionspreis dennoch minimal.
- Aktienkurs & Basispreis bestimmen den inneren Wert der Option
- Restlaufzeit & Volatilität machen den Zeitwert der Option aus
Innerer Wert und Zeitwert einer Option
Der innere Wert (oder „intrinsischer Wert“) einer Option entspricht der Differenz zwischen dem Aktienkurs und dem Basispreis (Strike).
- Ein Call hat nur dann einen inneren Wert, wenn der aktuelle Kurs über dem Basispreis liegt: Innerer Wert = Aktienkurs – Basispreis
- Ein Put hat nur dann einen inneren Wert, wenn der aktuelle Kurs unter dem Basispreis liegt: Innerer Wert = Basispreis – Aktienkurs
- Der innere Wert kann null oder positiv, aber niemals negativ sein
Verkauft man zum Beispiel eine Call-Option mit Strike $50, und ist die zugrunde liegende Aktie derzeit $52 wert, dann möchte man natürlich mindestens diese $2 Differenz pro Aktie als Prämie dafür bekommen, dass man sich verpflichtet, am Ende der Laufzeit die Aktien für nur $50 pro Stück zu verkaufen. Der innere Wert ist einfach der Wert, den die Option „faktisch innehat“, wenn der Aktienkurs über (Call) oder unter (Put) dem Basispreis liegt. Er lässt sich jederzeit mit der o.g. Formel ganz einfach errechnen.
Aber der innere Wert der Option würde dem Stillhalter natürlich nicht reichen, um die Option zu verkaufen. Warum sollte er in obigem Beispiel das Risiko eingehen, dass der Aktienkurs weiter steigt, ohne dafür entlohnt zu werden? Daher besteht der Optionswert (auch Prämie genannt) nicht nur aus dem inneren Wert, sondern auch aus einer weiteren Komponente: dem Zeitwert (siehe Abbildung).
(Bild: eigene Darstellung)
Der sogenannte Zeitwert (oder „extrinsischer Wert“) bringt die Erwartungshaltung zum Ausdruck, dass eine Option am Ende der Laufzeit einen (höheren) inneren Wert hat.
Aus Sicht des Stillhalters entspricht der Zeitwert der „Entschädigung“ für das eingegangene Risiko, welches mit der Verpflichtung einhergeht, die Aktien zum vereinbarten Basispreis zu einem gewissen Zeitpunkt in der Zukunft zu kaufen oder zu verkaufen.
Aus Sicht des Optionskäufers ist der Zeitwert entweder „Wetteinsatz“ oder „Versicherungsprämie“, je nachdem, welches Ziel verfolgt wird. Wird auf eine bestimmte Kursentwicklung spekuliert, ist der Zeitwert der Einsatz für eine mögliche Wertsteigerung, wenn die entsprechende Kursbewegung einsetzt. Wenn Optionen zur Absicherung andere Finanzpositionen genutzt werden, entspricht der Zeitwert dem Preis, den der Optionskäufer für eine solche Versicherung bereit ist zu zahlen.
Der „extrinsische“ Wert einer Option ist also jener Teil des Gesamtwertes, den die Option eigentlich (noch) nicht innehat, der ihr aber von den externen Marktteilnehmern beigemessen wird. Er ist der Grund, weshalb Optionen ohne inneren Wert auch einen Wert haben.
Der Zeitwert wird durch zwei wesentliche Faktoren beeinflusst: die Restlaufzeit und die implizite Volatilität (auf Englisch „Implied Volatility“, kurz „IV“). Der Zeitwert ist immer positiv und fällt bei Fälligkeit der Option auf null. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass der Optionswert bei Verfall dem inneren Wert entspricht. Auch das macht Sinn, denn es besteht keinerlei Möglichkeit mehr, dass sich der innere Wert weiter verändert. NB: Bei einem zu großen Abstand zwischen Aktienkurs und Basispreis kann der Zeitwert auch vor Ablauf der Option schon auf null fallen.
In der Praxis berechnet sich der Zeitwert als Differenz zwischen dem Optionspreis (Börsenkurs) und dem inneren Wert (siehe oben). Der Zeitwert wird letztendlich von der Erwartungshaltung und dem Risikoempfinden (IV) der Marktteilnehmer bestimmt. Dabei gilt: je höher die Laufzeit und je höher die implizite Volatilität, desto höher ist auch der Zeitwert.
Fassen wir noch einmal das Wichtigste zusammen:
- Der Optionswert (Prämie) setzt sich aus dem inneren und dem Zeitwert zusammen.
- Der innere Wert ist bei einem Call die Differenz zwischen Aktienkurs und Basispreis, bei einem Put ist es die Differenz zwischen Basispreis und Aktienkurs.
- Der Zeitwert ist ein vom Markt beigemessener Wert auf Basis der Erwartungshaltung, dass die Option bei Verfall einen inneren Wert haben könnte. Er korreliert positiv mit der Restlaufzeit und der impliziten Volatilität.
- Bei Fälligkeit der Option ist der Zeitwert null, so dass Optionswert = innerer Wert.
Out of The Money, At The Money & In The Money Optionen
Im Zusammenhang mit der zuvor dargestellten Wertzusammensetzung von Optionen (innerer Wert + Zeitwert) werden Optionen oft danach bezeichnet, in welchem Verhältnis der Aktienkurs zum Basispreis steht.
Man unterscheidet sogenannte „Out of The Money“ (OTM), „At The Money“ (ATM) und „In The Money“ (ITM) Optionen. Die wesentlichen Merkmale werden in folgendem Diagramm zusammengefasst.
(Bild: eigene Darstellung)
Eine Option, die einen inneren Wert hat, nennt man auch „In The Money“, zu deutsch „Im Geld“. Eine ITM Option (amerikanischer Art) kann prinzipiell jederzeit ausgeübt werden, wobei die vorzeitige Ausübung von Aktienoptionen in der Praxis sehr selten vorkommt. Das liegt daran, dass dem Optionsinhaber dadurch der Zeitwert der Option verloren ginge.
Eine Option, deren Basispreis dem aktuellen Aktienkurs gleich ist, bezeichnet man als „At The Money“, zu deutsch „Am Geld“. In der Praxis nutzt man auch oft den Begriff „Near The Money“, da es natürlich sehr selten vorkommt, dass Kurs und Basispreis genau gleich sind. Diese Option hat noch keinen oder nur einen sehr geringen inneren Wert. Statistisch gesehen hat sie eine ca. 50/50 Wahrscheinlichkeit, bei Verfall einen inneren Wert zu haben. Daher ist bei ATM Optionen der Zeitwert am Höchsten.
Eine Option, bei welcher der Aktienkurs weiter unter (Call) bzw. über (Put) dem Basispreis liegt, nennt man „Out of The Money“, zu deutsch „Aus dem Geld“. Diese Option hat keinen inneren Wert und die Wahrscheinlichkeit, dass sie am Ende der Laufzeit im Geld steht, ist umso geringer, desto weiter der Aktienkurs von Basispreis entfernt ist. Damit sinkt auch der Zeitwert mit zunehmendem Abstand zwischen Kurs und Strike. Ist der Abstand zu groß, beträgt der Zeitwert und damit auch der Optionswert null: dann gibt es keinen Käufer, der bereit ist, beim aktuellen Aktienkurs etwas für die Option zu bezahlen.
Wie eine Option zum Geld steht beschreibt man auch als Moneyness oder „Geldnähe“. Folgende Abbildung zeigt die Wertzusammensetzung von Call- und Put-Optionen je nach Geldnähe.
(Bild: eigene Darstellung)
Je weiter eine Option im Geld steht, desto höher ihr Wert (aufgrund des steigenden inneren Werts), und je weiter eine Option aus dem Geld ist, desto geringer ihr Wert (aufgrund des abnehmenden Zeitwerts).
Der Wert einer ATM Option besteht noch ausschließlich aus Zeitwert, der an diesem Punkt am höchsten ist. Das hat einige praktische Auswirkungen, z.B. dass der Preis von ATM Optionen anfälliger für Volatilitätsschwankungen ist, als bei Optionen deren Aktienkurs weiter vom Basispreis entfernt liegt. Ebenfalls ist der Zeitwertverfall bei ATM Optionen gerade in den letzten Wochen der Laufzeit besonders ausgeprägt.
Was heißt das für den Stillhalter?
Welchen Strike der Stillhalter beim Optionsverkauf wählt hängt von seiner Strategie und Risiko-Rendite-Bereitschaft ab. Viele eher konservative Cashflow-Strategien zielen auf den Verkauf von OTM Optionen ab – so auch die Cashflow mit Optionen -Strategie.
Mit dem Verkauf von OTM Optionen sichert man sich eine Prämie, die rein aus Zeitwert besteht. Sie beruht auf der Erwartungshaltung des Käufers, dass sich der Aktienkurs innerhalb der Laufzeit über den Basispreis hinausbewegen wird. Je weiter die Option OTM ist, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Fall eintritt – und desto geringer die Prämie.
Je nach Strategie und Risikobereitschaft erweist sich ein Delta von 0.15 bis 0.30 für Calls bzw. -0.15 bis -0.30 für Puts in meiner Erfahrung als guter Risiko-Rendite Kompromiss. Damit verfallen ca. 70-85% der geschriebenen Optionen wertlos, und man kann je nach impliziter Volatilität immer noch Jahresrenditen im niedrigen bis mittleren zweistelligen Bereich erzielen. Mehr dazu findest du im Beitrag „Die Vorteile des Stillhalters“.
Zeitwertverfall („Time Decay“) und praktische Relevanz für den Stillhalter
Eigenschaften des Zeitwertverfalls von Optionen
Die Restlaufzeit einer Option ist eine der beiden Faktoren, die den Zeitwert beeinflussen. Zeitwertverfall (engl. „Time Decay“) bezeichnet die Tatsache, dass jede Option durchgehend und unaufhaltsam einen Teil ihres (Zeit-)Wertes verliert, einfach nur deshalb, weil Zeit vergeht.
Am Ende der Optionslaufzeit ist der Zeitwert dann null. Der Zeitwertverlust pro Tag wird auch Theta genannt – dazu mehr im Beitrag zu den Options-Griechen. Der Zeitwertverlust verläuft nicht linear. Der Verlauf hängt maßgeblich von zwei Faktoren ab: der verbleibenden Laufzeit, und dem Abstand zwischen Kurs und Basispreis (also der Geldnähe).
Als Daumenregel gilt:
- Bei Restlaufzeiten über 90 Tagen ist der Zeitwertverfall relativ gering
- Bei Optionen mit einer Restlaufzeit von weniger als 90 Tagen beschleunigt sich der Zeitwertverlust, wobei der genaue Verlauf davon abhängt, ob die Option im Geld (ITM), am Geld (ATM) oder aus dem Geld (OTM) steht (siehe Abbildung)
(Bild: eigene Darstellung)
Wie die Graphik verdeutlicht, verlaufen die Zeitwertverfallskurven von OTM und ITM Optionen relativ linear. Davon unterscheidet sich der Verlauf bei ATM (oder NTM) Optionen: sie verlieren im Zeitraum 90 bis 45 Tage noch relativ wenig Zeitwert, danach nimmt der Zeitwertverlust sukzessive zu. Im Zeitraum 45 bis 10 Tage vor Verfall verlieren sie 50% ihres verbleibenden Zeitwerts, der Rest verpufft in den letzten 10 Tagen.
Aber warum behalten ATM Optionen so lange einen relativ hohen Zeitwert? Ganz einfach: steht der Kurs „am Geld“ besteht per Definition eine hohe Unsicherheit darüber, ob die Option am Ende im Geld steht oder nicht. Die Chancen stehen bis zum Schluss bei ca. 50/50. Dabei verringert sich, je weiter eine Option OTM oder ITM steht, die Wahrscheinlichkeit umso früher, dass ein signifikanter Richtungswechsel das Ergebnis noch ändert (sprich, dass die OTM Option noch ins Geld läuft, oder die ITM Option noch aus dem Geld fällt).
Schauen wir uns beispielhaft die Entwicklung des Delta-Werts von OTM, NTM und ITM Put-Optionen auf die Pinterest Aktie an. Zum Zeitpunkt der Datenerfassung stand der Aktienkurs bei $86 (Februar 2021).
(Bild: eigene Daten, erfasst Februar 2021)
* Der aktuelle Kurs der PINS Aktie zum Zeitpunkt der Datenerfassung ist $86 (11. Februar 2021). Zur Vergleichbarkeit verwenden wir Strike $85, da Strike $86 nicht für alle Laufzeiten verfügbar ist. Es handelt sich hier also um eine NTM („Near The Money“) Option, welche ähnliche Eigenschaften wie die ATM Option hat.
Im Beitrag über die Options-Griechen gehe ich ausführlich auf die Eigenschaften von Delta ein. Eine Eigenschaft Deltas ist, dass es eine ungefähre Angabe über die Wahrscheinlichkeit gibt, dass eine Option am Ende der Laufzeit im Geld steht. Ein Delta von -0,2 (Put) oder 0,2 (Call) steht beispielsweise für eine Wahrscheinlichkeit von ca. 20%.
In der Tabelle lässt sich deutlich erkennen, wie sowohl bei OTM als auch bei ITM Optionen Delta im Verlauf der Zeit immer weiter abnimmt (OTM) bzw. zunimmt (ITM). So beträgt in diesem Beispiel bei einer Restlaufzeit von 7 Tagen die Wahrscheinlichkeit, dass die Option bei Fälligkeit im Geld steht, bei der OTM Option nur noch 14% und bei der ITM Option bereits 72%.
Dahingegen pendelt die Wahrscheinlichkeit der NTM Option im Bereich von 42-44%, unabhängig von der verbleibenden Laufzeit. Das liegt daran, dass die Aktie prinzipiell bis zum letzten Tag mit einer kleinen Abwärtsbewegung ins Geld laufen kann. Dadurch bleibt länger ein höherer Zeitwert erhalten.
Im Übrigen: die oben dargestellten Zeitwertverfallskurven gehen hypothetisch davon aus, dass nichts passiert, außer dass Zeit verstreicht – Aktienkurs, Volatilität, etc. bleiben unverändert. Das ist natürlich eine theoretische Darstellung, aber die Kernaussage ist entscheidend: alleine durch Zeitwertverfall verlieren Optionen an Wert. Der Zeitwertverfall ist damit der Freund des Stillhalters und der Feind des Optionskäufers, dem buchstäblich die Zeit davonrennt. Das bringt uns zu einer interessanten Frage: wie kann ich mir den Zeitwertverfall als Stillhalter zunutze machen?
Wie kann sich der Stillhalter den Zeitwertverfall zunutze machen?
Wie wir gerade gelernt haben, hilft der Zeitwertverfall dem Stillhalter immer, egal wann er welche Option verkauft. Allerdings kann man als Stillhalter die Eigenschaften des Zeitwertverfalls optimal für sich ausnutzen, wenn man gewisse Grundprinzipien beachtet:
Laufzeiten unter 90 Tagen wählen: Optionen mit kürzeren Laufzeiten profitieren von einem schnelleren Zeitwertverfall, als Optionen mit längeren Laufzeiten.
Basispreis & Laufzeit abstimmen: ATM ist der Zeitwertverfall in den letzten 30 Tagen am Höchsten. Bei OTM und ITM Option fällt der Zeitwert bereits früher steiler ab.
Den absoluten Zeitwert beachten: ein schneller Zeitwertverfall bringt am Ende doch nur wenig, wenn der Zeitwert anfangs gering ist. Man sollte also nicht nur auf Laufzeit und Basispreis achten, sondern auch die Volatilität im Auge behalten, welche den Zeitwert maßgeblich beeinflusst.
Am Ende hängt der Erfolg beim Optionshandel allerdings von der Gesamtstrategie ab. Zum Beispiel könnte es für eine Trading-Strategie, welche auf den möglichst schnellen Rückkauf der verkauften Optionen aus ist, durchaus von großem Vorteil sein, Basispreis und Laufzeit so aufeinander abzustimmen, dass die Zeitwertverfallskurve möglichst schnell steil abfällt. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass man die Optionen zeitnah zu einem geringeren Preis (sprich mit Gewinn!) zurückkaufen kann.
Für eine Cashflow-Strategie, die nicht zwingend darauf aus sind, verkaufte Optionen vorzeitig zurückzukaufen, ist das weniger kriegsentscheidend. Hier kommt es mehr auf die Auswahl der richtigen Aktie und des dazu passenden Basispreises an. Außerdem sind zu lange Laufzeiten nicht geeignet: gerade in Verbindung mit Cash-Secured Puts würde man sonst (zu) lange Kapital binden, und könnte ggf. keinen monatlichen Cashflow generieren. Daher bieten sich in der Regel Laufzeiten an, welche 30-45 Tage nicht überschreiten, wobei je nach Aktie auch Laufzeiten von 1-2 Wochen vorteilhaft sein können.
Fazit: Egal welche Strategie man verfolgt, man sollte verstehen, wie sich der Zeitwertverfall auf den Optionswert auswirkt. Dadurch kann man sowohl seine Strategie optimieren und auch im Einzelfall bessere Entscheidungen treffen.
Volatilität und praktische Relevanz für den Stillhalter
Historische und Implizite Volatilität
Volatilität ist das Ausmaß zu welchem der Aktienkurs schwankt, egal in welche Richtung. Dabei sind in der Praxis zwei Arten von Volatilität für den Optionshändler von besonderer Relevanz: die historische Volatilität (HV) und die implizite Volatilität (IV).
Die historische Volatilität ist ihrem Namen entsprechend die Volatilität, welche man aus historischen Zeitreihen errechnen kann – sie ist vergangenheitsbezogen. Standesgemäß handelt es sich um die annualisierte Standardabweichung der vergangenen Kursschwankungen, ausgedrückt als Prozentsatz vom Aktienkurs. Entscheidend für die Volatilität ist nicht die Wertentwicklung einer Aktie, sondern das Ausmaß der Schwankungen innerhalb des betrachteten Zeitraums.
Nehmen wir zwei Aktien A und B, die am 1. Januar $50 wert waren. Aktie A ist am 31. Dezember immer noch $50 wert, während Aktie B inzwischen $63 wert ist. Dennoch kann es sein, dass Aktie A volatiler ist, als Aktie B. Im Extremfall könnte es sein, dass Aktie B in einem fast linearen Verlauf jeden Monat stetig 2% an Wert zugenommen hat. Dagegen könnte es sein, dass Aktie B im Laufe des Jahres erst auf $25 abgesackt ist (-50%) und sich danach wieder verdoppelt hat (+100%). Dann wäre Aktie A extrem volatil, Aktie B aber nur sehr gering bis gar nicht volatil.
(Bild: eigene Darstellung)
Die implizite Volatilität spiegelt dagegen die Erwartung der Marktteilnehmer wider, wie sehr der Kurs einer Aktie in der Zukunft schwanken wird – sie ist zukunftsbezogen. Anders als die historische Volatilität lässt sich die IV nicht aus tatsächlichen Kursschwankungen berechnen, sondern sie wird aus Veränderungen von Optionspreisen abgeleitet.
Wie zuvor beschrieben, wird der Zeitwert durch die Restlaufzeit der Option und die implizite Volatilität bestimmt. In der Praxis ergibt sich der Zeitwert einer Option aus der Differenz zwischen dem Optionspreis (Börsenkurs) und dem inneren Wert der Option. Eine Veränderung der IV kann somit durch die Veränderung der Optionsprämie bestimmt werden, sofern alle anderen Faktoren gleich gehalten werden. Im Übrigen drückt die Kennzahl Vega aus, um wieviel sich der Optionspreis ändert, wenn IV um 1% ansteigt – dazu mehr im Beitrag zu den Options-Griechen.
Genau wie die HV wird auch die IV als annualisierte Standardabweichung bemessen, und wird in Prozent ausgedrückt. Eine IV von 20% bei einer Aktie mit Kurs $50 sagt dabei aus, dass 20% x $50 = $10 einer Standardabweichung entsprechen.
Zieht man die statistischen Merkmale einer Normalverteilung heran, so würde das heißen, dass:
- eine 68%ige Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Aktienkurs nach einem Jahr zwischen $40 und $60 liegen wird (+/- 1 Standardabweichung)
- eine 95%ige Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Aktienkurs nach einem Jahr zwischen $30 und $70 liegen wird (+/- 2 Standardabweichungen)
- nur eine 5%ige Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Aktienkurs nach einem Jahr außerhalb dieser Kursspanne liegt
Hinweis: Optionsmodelle nutzen logarithmische Normalverteilungen, welche sicherstellen, dass eine Berechnung auch bei höherer IV noch möglich ist. In der Tat liefert die normale Bell-Kurve bei höheren IV Werte keine brauchbaren Ergebnisse mehr, da Aktienkurse ja bekanntlich nicht unter $0 sinken können.
Schlussendlich ist IV der Indikator dafür, wie viel Unsicherheit der Markt in eine Optionsprämie eingepreist hat. Optionen kann man mit Versicherungsverträgen vergleichen, durch welche der Optionskäufer sich gegen Marktschwankungen dahingehend absichert, dass er zu einem gewissen Zeitpunkt eine bestimmte Aktie zu einem definierten Preis kaufen oder verkaufen kann. Je höher die (gefühlte) Unsicherheit am Markt, desto mehr kostet eine solche Versicherung: der Stillhalter bekommt als Versicherungsgeber eine höhere Prämie. Das gleiche gilt natürlich auch umgekehrt.
Wie kann sich der Stillhalter implizite Volatilität zunutze machen?
Um diese Frage zu beantworten, schauen wir uns zunächst einmal die wesentlichen Treiber der impliziten Volatilität an.
Gerade über kürzere Zeiträume kann die historische Volatilität (z.B. die der letzten 1-4 Wochen) Einfluss auf die erwartete zukünftige Volatilität (z.B. die der nächsten 1-4 Wochen) nehmen. Ist der Kurs einer Aktie beispielsweise infolge einer Schlagzeile letzte Woche um 20% hochgesprungen oder abgerutscht, obwohl diese Aktie normalerweise nur geringe Kursschwankungen vorweist, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit die IV zumindest kurzfristig ebenfalls ansteigen.
Ein Treiber für eine erhöhte IV können auch anstehende Ereignisse bzw. Entscheidungen sein. Ein häufiges Beispiel ist das Earnings Release Datum von Unternehmen: insbesondere Optionen mit einer Laufzeit, die kurz nach Veröffentlichung der Quartalszahlen endet, haben oftmals stark erhöhte IV. Andere Beispiele sind öffentliche Auktionen, Gespräche über einen Unternehmenszusammenschluss, laufende Gerichtsverfahren etc. In jedem dieser Fälle treibt die hohe Unsicherheit am Markt die IV nach oben.
Die zuvor genannten Volatilitätstreiber sind jeweils Aktien-spezifisch. Darüber hinaus können auch allgemeine Turbulenzen am Markt (Korrekturen, Rotationen, oder gar ein Crash) die IV ganzer Sektoren und Märkte aufgrund der herrschenden Unsicherheit nach oben treiben.
Aber wie kann sich der Stillhalter die implizite Volatilität zunutze machen, oder zumindest sicherstellen, dass sie nicht gegen ihn arbeitet?
Schritt 1: Relative implizite Volatilität betrachten
Ein hilfreicher erster Schritt ist es, die aktuelle IV einer Option mit ihrer durchschnittlichen IV aus der Vergangenheit zu vergleichen. Die meisten professionellen Broker wie CapTrader bieten eine Handelssoftware an, welche es ermöglicht, die IV graphisch in einer Zeitreihe darzustellen. Daraus erkennt man schnell, ob man sich gerade in einer Phase von relativ hoher, niedriger oder eher durchschnittlicher IV bewegt.
Wichtig ist dabei die relative Betrachtung zum Durchschnitt der jeweiligen Aktie, da verschiedene Aktien absolut betrachtet unterschiedlich volatil sind. So könnte eine IV von 40% für die eine Aktie relativ hoch, und für eine andere relativ niedrig sein.
(Bild: eigene Darstellung)
Schritt 2: Risiken erkennen und abwägen
Sofern die IV der betrachteten Aktie gerade relativ hoch ist, sollte man versuchen herauszufinden, warum das so ist. Grundsätzlich weist eine erhöhte IV immer auf eine überdurchschnittliche Unsicherheit am Markt hin, sprich auf erhöhtes Risiko. Bevor man eine Option verkauft, sollte man wissen, welches Risiko der Markt gerade einpreist. So kann man anschließend für sich selbst entscheiden, ob man als Stillhalter willig ist, das Risiko im Tausch gegen eine (erhöhte) Prämie zu tragen.
Zunächst gilt es zu unterscheiden, ob die erhöhte IV durch Aktien-spezifische Ereignisse bedingt ist, oder ob gerade allgemeine Verunsicherung in der Branche oder im Markt herrscht. Um für die allgemeine Marktstimmung ein Gefühl zu bekommen, hilft zum Beispiel ein Blick auf den Volatility Index2 (VIX) des Chicago Board Options Exchange (CBOE). Der VIX ist ein Echtzeit Index, welcher die erwartete Volatilität der nächsten 30 Tage bezogen auf den S&P500 wiederspiegelt. Auch der von CNN publizierte Fear & Greed Index3 ist ein guter Anhaltspunkt für die Stimmung am Markt.
Ist die IV eines einzelnen Unternehmens trotz „normaler“ Marktlage erhöht, liegt das meistens an Unternehmen- oder Branchenspezifischen Risiken. Hier kann man zunächst nach dem Datum der nächsten Quartalsergebnisse Ausschau halten (zum Beispiel auf Yahoo Finance4). Steht kein Earnings Release an, findet sich der Treiber meist in den Nachrichten. Ist kein besonderes Ereignis zu finden, könnte es auch am allgemeinen Marktempfinden diesem Unternehmen gegenüber liegen (z.B. kann auch bei stark geshorteten Aktien die IV zunehmen, etwa in Erwartung eines Short Squeeze).
Schritt 3: Optionen möglichst bei relativ hoher IV verkaufen
Grundsätzlich ist es aus Stillhalter-Sicht vorteilhaft, bei relativ hoher IV zu verkaufen, um eine relativ hohe Prämie zu kassieren. Da sich die IV kurz- bis mittelfristig in der Regel wieder in Richtung Mittelwert zurückbewegt, hat das auch den Vorteil, dass der Zeitwert tendenziell schneller abnimmt, was dem Stillhalter ebenfalls zugute kommt.
Allerdings sollte man bei hoher IV trotz hoher Prämien nie blind verkaufen, sondern wie oben beschrieben stets die Hintergründe erörtern. Bei eher konservativen Cashflow-Strategien (wie Cashflow mit Optionen) ist es zum Beispiel nicht ratsam, Puts auf Unternehmen zu verkaufen, die während der Optionslaufzeit ihre Quartalsergebnisse veröffentlichen. Liegt die erhöhte IV hingegen an der allgemeinen Marktstimmung, so kann das für einzelne Unternehmen Schnäppchen bedeuten: der Kurs einer guten Aktie knickt ein und man schreibt einen Put für einen noch niedrigeren Kurs. Dafür bekommt man auch noch eine überdurchschnittliche Prämie.
Im Umkehrschluss sind Phasen relativ niedriger IV in der Regel nicht für den Optionsverkauf geeignet. Zum einen wäre (bei einem meist nicht wirklich geringeren Risiko) die Rendite bedeutend geringer, und zum anderen hätte man die zyklische Bewegung der IV nun gegen sich. Wenn die IV kurz- bis mittelfristig wieder in Richtung Mittelwert zunimmt, steigt der Zeitwert und die Short-Position gerät unter Druck. Sofern man mit kurzen Laufzeiten handelt, und/oder nicht vorhat, seine Position zurückzukaufen, ist das zwar nicht ganz so schlimm, aber es können dennoch Opportunitätskosten entstehen.
Fazit: Egal welche Strategie man verfolgt, man sollte verstehen, wie sich die (implizite) Volatilität auf den Optionswert auswirkt. Dadurch kann man sowohl seine Strategie optimieren und auch im Einzelfall bessere Entscheidungen treffen.
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Weitere Artikel, die dich interessieren könnten:
Fußnoten:
1. Videos zum Binomialmodell und Back-Scholes Modell zur Optionsbewertung (studiflix.de)
2. CBOE Volatility Index (VIX) (cboe.com)
3. Fear and Greed Index (cnn.com)
4. Yahoo Finance, Earnings Calendar (finance.yahoo.com)
Wissen
Lerne gezielt und ohne Umschweife, was du über Optionen wissen musst, um als Stillhalter erfolgreich zu sein.
- Ziele: Finde heraus, ob und wie auch du als Cashflow-Stillhalter deine persönlichen Finanzziele erreichen kannst.
- Strategie: Erfahre Schritt für Schritt, wie du als Stillhalter bei kontrolliertem Risiko hohe Renditen erzielen kannst.
- Umsetzung: Profitiere von praktischen Tipps und Tricks, die dir tagtäglich bei der konsequenten Umsetzung helfen.
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