Rubrik: Wissen
Was sind Options-Griechen, und (wozu) braucht sie der Stillhalter?
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Die Options-Griechen: was sind sie, und wie kann sie der Stillhalter nutzen?
(Bild: Pixabay, Author: Lorenzo Cafaro. Bild wurde weiter bearbeitet.)
Das Wichtigste in Kürze
Die Options-Griechen hängen eng mit dem Thema der Optionsbewertung zusammen. Sollten dir die Konzepte des inneren Werts und Zeitwerts von Optionen noch nicht vertraut sein, schaue dir gerne den entsprechenden Beitrag zur Bewertung von Optionen an. In diesem Beitrag geht es darum, die Griechen sowie deren praktische Anwendung als Stillhalter kennenzulernen.
Wie immer zunächst das Wichtigste in Kürze:
- Die Options-Griechen (kurz „Griechen“, engl. „Greeks“) sind Kennzahlen, welche darüber Aufschluss geben, wie sich der Preis einer Option infolge der Veränderung bestimmter Einflussfaktoren bewegen wird.
- Delta (Δ), ein Wert zwischen -1 und 1, zeigt an wie sich der Optionspreis bewegt, wenn der Aktienkurs um $1 steigt. Puts haben Deltas zwischen -1 und 0, Calls zwischen 0 und 1. Der absolute Wert von Delta (als Prozentsatz ausgedrückt) stellt einen Näherungswert für die Wahrscheinlichkeit dar, dass eine Option am Ende der Laufzeit im Geld steht (sprich ausgeführt wird). Damit ist Delta der Grieche mit der größten praktischen Relevanz, insbesondere für Cashflow-orientierte Stillhalter.
- Gamma (Γ) ist ein Wert zwischen 0 und 1, welcher voraussagt, um wie viel sich Delta ändert, wenn der Aktienkurs um $1 steigt. Sie gibt insbesondere Aufschluss darüber, dass Delta am Geld am Stärksten auf Kursschwankungen reagiert, und dies umso mehr, wenn die Laufzeit kurz und die Volatilität niedrig sind.
- Theta (Θ) entspricht dem Zeitwertverlust einer Option – genauer gesagt ist sie der Wert, den eine Option an einem Tag verliert (sofern sich nichts anderes ändert). Für den Stillhalter entspricht er dem Gewinn pro Tag der dadurch entsteht, dass Zeit vergeht.
- Vega (ν) beziffert die implizite Volatilität, und gibt den Wert an, um den der Preis einer Option steigt, wenn die implizite Volatilität (IV) um 1% steigt. Aus Stillhaltersicht ist es vorteilhaft, Optionen bei relativ hoher IV zu kaufen, um von einer Reduzierung der IV über die Laufzeit hinweg zu profitieren.
Was sind die Options-Griechen?
Im Optionshandel bezeichnet man als „Griechen“ (engl. „Greeks“) eine Reihe von Kennzahlen, welche Auskunft über die zukünftige Entwicklung des Optionspreises geben, wenn sich bestimmte Einflussfaktoren verändern.
Ihr Ursprung liegt im Black-Scholes Modell zur Optionsbewertung, in welchem sie mathematische Variablen darstellen, welche mit griechischen Zeichen benannt wurden. Wie im Beitrag zur Bewertung von Optionen bereits ausführlich besprochen wurde, sind die wesentlichen Variablen, welche den Optionswert beeinflussen, (1) der Kurs der zugrunde liegenden Aktie, (2) die Laufzeit, (3) die implizite Volatilität, und zu einem geringeren Ausmaß, (4) der risikofreie Zinssatz und (5) mögliche Dividendenauszahlungen.
In der Praxis werden die Griechen von Optionshändlern sowohl zur Abschätzung der zukünftigen Preisentwicklung von Optionen als auch zum Risikomanagement eingesetzt. Zum Beispiel können die Griechen dabei helfen, abzuschätzen, wie wahrscheinlich es ist, dass der Aktienkurs am Ende der Laufzeit über bzw. unter dem Basispreis steht, oder wie viel Wert die Option täglich aufgrund des Zeitwertverfalls verliert.
Es gibt fünf primäre Griechen, wovon sich vier in der Praxis als besonders relevant erwiesen haben: Delta, Gamma, Theta, und Vega. Der fünfte, Rho, kommt in der Praxis selten zum Einsatz: er drückt aus, wie der Optionspreis auf eine Veränderung (von 1%) des risikofreien Zinssatzes reagieren würde. Da Leitzinsänderungen jedoch selten und meist gering sind, spielt Rho im täglichen Optionshandel eine untergeordnete Rolle, und wird daher auch in diesem Beitrag nicht weiter beschrieben.
Nur der Vollständigkeit halber: es gibt ebenfalls eine ganz Reihe anderer Griechen (Lambda, Vomma, Zomma, usw.), welche Ableitungen der primären Griechen darstellen. Auch diese kommen in der Praxis selten zum Einsatz. Meist sind es Computer-Modelle, welche diese zusätzlichen Kennzahlen nutzen, um am Markt komplexe Strategien in Echtzeit auszuführen. Die gute Nachricht ist: für die erfolgreiche Umsetzung der Cashflow mit Optionen Strategie, ebenso wie für die meisten gängigen Optionsstrategien, sind sie irrelevant.
In den folgenden Abschnitten fokussieren wir uns daher auf die vier relevantesten Griechen Delta, Gamma, Theta und Vega, und gehen jeweils darauf ein, wie sie für uns als Cashflow-orientierte Stillhalter in der Praxis relevant sind.
Δ
Delta: der wichtigste Grieche
Korrelation zwischen Aktienkurs und Optionspreis
Delta (Δ) wird oft als die wichtigste Kennzahl im Optionshandel bezeichnet, und ganz sicher ist sie auch für uns als Cashflow- Stillhalter der relevanteste Grieche. Delta ist eine Zahl zwischen -1 und +1, welche ausdrückt, um wie viel der Preis einer Option fallen bzw. steigen würde, wenn der Kurs der zugrundeliegenden Aktie um $1 steigt.
Wie wir wissen nimmt der Wert eines Calls mit Ansteigen des Aktienkurses zu, während der Wert eines Puts abnimmt. Daraus ergibt sich:
- Das Delta von Call-Optionen ist positiv (Wert 0 bis +1): ein Delta von 0,5 gibt an, dass der Call-Preis um $0,50 steigen wird, wenn der Aktienkurs um $1 steigt. Im Umkehrschluss fällt der Call-Preis um $0,50, wenn der Aktienkurs um $1 fällt. Es gibt eine positive Korrelation zwischen Call-Preis und Aktienkurs.
- Das Delta von Put-Optionen ist negativ (Wert -1 bis 0): ein Delta von -0,5 gibt an, dass der Put-Preis um $0,50 fallen wird, wenn der Aktienkurs um $1 steigt. Im Umkehrschluss steigt der Put-Preis um $0,50, wenn der Aktienkurs um $1 fällt. Es gibt eine negative Korrelation zwischen Put -Preis und Aktienkurs.
Deltaveränderung durch Kursbewegungen, Zeitverfall und Volatilitätsschwankungen
Delta ist kein statischer Korrelationsfaktor, sondern sein Wert ändert sich andauernd, u.a. durch Kursbewegungen, Zeitverfall und Volatilitätsschwankungen.
Fokussieren wir uns zunächst auf den Einfluss von Aktienkursänderungen auf Delta. Der Delta-Wert hängt davon ab, wie der Aktienkurs zum Basispreis steht, sprich ob und wie weit die Option im Geld („In The Money“), am Geld („At The Money“), oder aus dem Geld („Out of The Money“) liegt. Falls Du noch nicht (oder nicht mehr) genau weißt, was diese Begriffe bedeuten, kannst du es hier nochmal nachlesen.
Delta-Wert von Call und Put in Abhängigkeit vom Aktienkurs
(Bild: eigene Darstellung)
Wie in der Abbildung dargestellt kann man sich folgende Zusammenhänge merken:
- Steht eine Option am Geld (Aktienkurs = Basispreis), beträgt das Delta ca. 0,5 (bei Call-Optionen) bzw. -0,5 (bei Put-Optionen).
- Je weiter eine Option im Geld liegt (also je höher ihr innerer Wert), desto größer ist der absolute Wert von Delta. Bei Calls bewegt sich das Delta immer weiter in Richtung +1, bei Puts in Richtung -1, was letztendlich bedeutet, dass der Optionspreis sich irgendwann fast genauso verändert, wie der Aktienkurs. Das macht bei Optionen mit einem hohen inneren Wert (und verhältnismäßig geringem Zeitwert) auch Sinn, da der innere Wert der Bestandteil des Optionswert ist, der direkt vom Aktienkurs abhängt.
- Je weiter eine Option aus dem Geld liegt (ihr Zeitwert und damit Gesamtwert wird immer geringer), desto kleiner ist der absolute Wert von Delta. Sowohl Call- als auch Put-Deltas bewegen sich dann in Richtung 0. Auch das macht Sinn: ist der Aktienkurs so weit vom Basispreis entfernt, dass die Option (fast) keinen Wert hat, wird auch ein Anstieg des Aktienkurses um $1 erst einmal kaum etwas am Optionspreis bewegen.
Neben Änderungen des Aktienkurses beeinflussen unter anderem auch der Zeitwertverfall sowie Veränderungen der impliziten Volatilität den Delta-Wert einer Option. Dies wird graphisch in der nachfolgenden Abbildung illustriert.
Delta-Wert von Call & Put Optionen für verschiedene Basispreise in Abhängigkeit von Restlaufzeit und Volatilität
(Bild: eigene Darstellung)
Wie wir im Beitrag zur Bewertung von Optionen gelernt haben, sind Laufzeit und implizite Volatilität (IV) die beiden Komponenten des Zeitwerts einer Option. Dabei gilt: je länger die Laufzeit und je höher die IV, desto höher der Zeitwert, und umgekehrt.
Damit ist es nicht erstaunlich festzustellen, dass sich der Zeitwertverfall ähnlich auf Delta auswirkt, wie die Abnahme der impliziten Volatilität. Die rote Kurve stellt in beiden Graphiken den Verlauf von Delta bei einer Restlaufzeit von 30 Tagen und IV von 40% dar. Auf der linken Graphik wird gezeigt, wie Delta bei gleicher Volatilität (IV=40%) auf längere Laufzeiten von 60 bzw. 90 Tagen reagiert, während die rechte Graphik den Verlauf von Delta bei gleicher Restlaufzeit (30 Tage) aber steigender Volatilität von 50% bzw. 60% zeigt.
Auch zu beachten: während die Kurven bei Call und Put Optionen gleich aussehen, verläuft die Y-Achse (Delta-Achse) beim Call von 0 bis 1, beim Put jedoch von -1 bis 0. Auf der X-Achse (Basispreis-Achse) liegen bei Aktienkurs $50 bekanntlich Basispreise unter $50 „In The Money“ beim Call, und „Out of The Money“ beim Put, und umgekehrt bei Basispreisen über $50.
Hinsichtlich der Auswirkungen von Zeitwertverfall und Volatilitätsänderungen auf Delta lässt sich (ceteris paribus) Folgendes beobachten:
- Bei Optionen, die im Geld liegen, wird das absolute Delta mit abnehmender Restlaufzeit bzw. abnehmender IV immer größer. Delta nähert sich bei Calls dem Wert +1 und bei Puts -1. Das liegt daran, dass jeweils der Zeitwert der Option abnimmt, und damit der Gesamtwert der Option immer mehr dem inneren Wert entspricht. Ein Delta von +/-1 bedeutet, dass die Option keinen Zeitwert mehr hat und deren Preis damit 1:1 eine Kursbewegung von $1 abbildet.
- Bei Optionen, die aus dem Geld liegen, wird Delta mit abnehmender Restlaufzeit bzw. abnehmender IV immer kleiner, und nähert sich sowohl bei Calls als auch Puts der 0. „Out of The Money“ Optionen haben per Definition keinen inneren Wert und damit am Ende der Laufzeit gar keinen Wert mehr. Ein Delta von 0 signalisiert, dass die Option keinen Zeitwert (und damit Wert) hat, weil sie zu weit aus dem Geld liegt. Aufgrund der impliziten Volatilität und der verbleibenden Restlaufzeit ist es höchst unwahrscheinlich, dass die Option noch ins Geld läuft.
- Bei Optionen, die „genau“ am Geld stehen, bleibt Delta bis zum Schluss bei +/-0,5 stehen. Allerdings fällt/steigt Delta auf beiden Seiten des „At The Money“ Preises desto steiler, je kürzer die Restlaufzeit bzw. niedriger die implizite Volatilität (siehe rote Kurve im Verhältnis zur blauen und grünen Kurve).
Ebenso lässt sich feststellen, dass die Bandbreite der Basispreise, die mit einem Zeitwert versehen sind (sprich 0 < Delta < 1), mit abnehmender Laufzeit und abnehmender Volatilität immer schmaler wird. Steht im oben gegebenen Beispiel bei 30 Tagen Restlaufzeit und IV=40% der Zeitwert vom $68 Call bereits bei $0 (rote Kurve), so gibt es bei längerer Laufzeit und/oder höherer Volatilität noch Zeitwert für Calls über $70…
Delta als Wahrscheinlichkeit: praktische Anwendung bei Stillhalterstrategien
Auch wenn es wichtig ist zu verstehen, wie Delta die Entwicklung eines Optionspreises infolge einer Kursbewegung vorhersagt, gibt für den Cashflow-Stillhalter in der Praxis eine noch relevantere Eigenschaft von Delta: der absolute Wert von Delta stellt in der Praxis ebenfalls einen Näherungswert für die Wahrscheinlichkeit (W) dar, dass eine Option am Ende der Laufzeit „In The Money“ (ITM) steht.
Zwei Beispiele:
- Ein Call Delta 0,40 hat eine 40%ige Wahrscheinlichkeit, am Ende der Laufzeit im Geld zu liegen und ausgeübt zu werden: als Stillhalter heißt das statistisch, dass ich in zwei von fünf Fällen die Aktien zum Basispreis verkaufen muss.
- Ein Put Delta -0,25 hat demnach eine 25%ige Wahrscheinlichkeit, am Ende der Laufzeit im Geld zu liegen und ausgeführt zu werden: als Stillhalter heißt das statistisch, dass ich in einem von vier Fällen die Aktien zum Basispreis kaufen muss.
Gerade bei Optionsstrategien wie Cashflow mit Optionen, welche nicht auf einen vorzeitigen Rückkauf der Option aus sind, ist die Wahrscheinlichkeit einer Optionsausführung am Ende der Laufzeit eine wichtige Kenngröße bei der Optionswahl. Sie dient der Steuerung von Risiko und Rendite. Darauf gehe ich im Rahmen der Strategiebeschreibung an anderer Stelle genauer ein.
Beim Put hilft Delta bei der Bestimmung der Wahrscheinlichkeit, dass der Stillhalter Aktien zum Basispreis zugeteilt bekommt. Oft wird die Zuteilung von Aktien als Risiko betrachtet, was aber je nach Strategie und Ziel nicht unbedingt zutrifft. Teilweise ist der Erwerb der Aktien sogar beabsichtigt.
Delta ermöglicht die Umsetzung verschiedener Strategien, die auf einzelne Aktien individuell abgestimmt werden können. Beispielsweise könnte ich bei gering volatilen Aktien auf Basispreise am Geld setzen (Delta ~-0,5) und damit vom maximalen Zeitwert profitieren, wohl wissend, dass ich statistisch jedes zweite Mal die Aktien kaufen werde. Oder ich könnte mir volatilere Aktien aussuchen, und Optionen zu einem niedrigeren Delta schreiben. Durch die erhöhte Volatilität bleibt der Zeitwert attraktiv, und gleichzeitig habe ich mir einen größeren Kursabschlag als Sicherheitspuffer eingebaut.
Beim Call hilft Delta bei der Bestimmung der Wahrscheinlichkeit, dass der Stillhalter seine Aktien zum Basispreis verkaufen muss. Auch hier gibt es kein „gut“ oder „schlecht“: es kommt darauf an, was das Ziel ist.
Gehe ich von einer positiven Entwicklung einer Aktie aus, die ich besitze, möchte aber dennoch mit einem Covered Call etwas Cashflow generieren, empfiehlt sich ein niedriges Delta (höherer Basispreis). Das gibt Luft für weitere Kursgewinne und reduziert die Wahrscheinlichkeit, dass ich die Aktien verkaufen muss. Möchte ich dagegen eine Aktie „loswerden“, so kann ich ein höheres Delta (> 0,5) wählen und sie im Geld verkaufen. Dadurch könnten mir zwar Opportunitätskosten entstehen, falls der Kurs der Aktie ansteigt, aber ich habe hohe Wahrscheinlichkeit die Aktien zu verkaufen, und erhalte dafür über den Zeitwert mehr, als würde ich sie direkt veräußern.
An dieser Stelle möchte ich noch einen kurzen Disclaimer für alle Optionsexperten und Mathematiker einbauen: ja, es stimmt, dass Delta nicht exakt der Ausführungswahrscheinlichkeit einer Option entspricht. Gerade bei langen Laufzeiten und hoher Volatilität verliert Delta in dieser Hinsicht an Genauigkeit. Dennoch: in der Praxis ist Delta ein immer verfügbarer und ausreichend genauer Näherungswert, den jeder Optionshändler im Blick haben sollte.
Γ
Gamma: sagt voraus, wie (schnell) sich Delta bewegt
Gerade haben wir gelernt, dass Delta die Veränderung des Optionspreises bei einer Kurserhöhung von $1 wiedergibt. Gamma (Γ) gibt an, um wie viel sich Delta bei einer Kurserhöhung von $1 bewegen wird. Gamma ist immer ein positiver Wert zwischen 0 und 1 (meist näher an der 0).
Wieder zwei Beispiele:
- Ein Call mit Basispreis $34 bei aktuellem Kurs von $32 hat ein Delta von 0,44 und ein Gamma von 0,05. Steigt der Kurs auf $33, wird das Delta 0,49 (=0,44+0,05) betragen.
- Ein Put mit Basispreis $30 bei aktuellem Kurs von $32 hat ein Delta von -0,35 und ein Gamma von 0,05. Steigt der Kurs auf $33, wird das Delta -0,3 (=-0,35+0,05) betragen.
Gamma beträgt hier beim Call und beim Put jeweils 0,05. Wie wir wissen, ist das Delta eines Calls positiv, während das eines Puts negativ ist. Steigt der Kurs nun um $1, erhöht das positive Gamma den Delta-Wert des Calls und des Puts; dennoch wird der absolute Delta-Wert des Puts geringer, was bedeutet, dass die Ausführwahrscheinlichkeit bzw. der Wert des Puts geringer werden. Nichts anderes würden wir erwarten, denn ein Kursanstieg wirkt sich positiv auf den Wert eines Calls, aber negativ auf den Wert eines Puts aus.
Die wesentlichen Eigenschaften von Gamma lassen Rückschlüsse auf das Verhalten von Delta in Bezug auf bestimmte Einflussfaktoren schließen:
- Gamma ist am Höchsten bei Optionen, die am Geld stehen. Je weiter im Geld oder aus dem Geld eine Option ist, desto geringer wird Gamma. Das bedeutet, dass Delta am Geld am stärksten auf Kursschwankungen reagiert, während die Sprünge an beiden Enden der Skala kleiner werden. Das ist darauf zurückzuführen, dass der Zeitwert von Optionen am Geld am Höchsten ist.
- In der Nähe vom Geld wird Gamma höher, je geringer die Restlaufzeit und je niedriger die Volatilität. Im Bereich eines absoluten Deltas von ca. 0,3-0,7 ist die Wertveränderung einer Option in Reaktion auf eine Kursänderung dann am Stärksten, wenn die Restlaufzeit kurz bzw. die Volatilität niedrig sind. Das lässt sich auch gut nachvollziehen: am Geld steht die Wahrscheinlichkeit bei Verfall im Geld zu liegen bei 50/50. Bewegt sich der Kurs kurz vor Verfall nun plötzlich aus dem Geld, bleibt kaum noch Zeit für eine Gegenbewegung. Dieser Effekt wird bei geringer Volatilität verschärft, da diese eine Rückbewegung noch unwahrscheinlicher macht.
- Weiter weg vom Geld (egal ob im Geld oder aus dem Geld) wird Gamma höher, je höher die Restlaufzeit und je höher die Volatilität. Auch das leuchtet ein, denn je länger die Restlaufzeit und je höher die Volatilität, desto breiter die Spanne der Basispreise, denen ein Zeitwert beigemessen wird.
Jeder, der mit Optionen handelt, sollte oben beschriebene Zusammenhänge verstehen. Als Stillhalter sollte man insbesondere wissen, dass der Wert einer Option am Geld bedeutend stärker bzw. schneller schwankt, als wenn der Kurs weiter weg vom Basispreis steht.
Das ist gerade bei Strategien entscheidend, welche einen Rückkauf der Option vorsehen: verkauft man z.B. eine „Out of The Money“ Option, die sich immer weiter ans Geld bewegt, sollte man mit dem Rückkauf nicht zu lange warten. Gamma lehrt uns, dass der Verlust immer schneller steigen wird bis die Option ins Geld läuft. Mit anderen Worten: ein kleiner Verlust kann dann ganz schnell ein großer werden, wenn sich der Kurs weiter in die „falsche“ Richtung bewegt.
Bei Cashflow-Strategien wie Cashflow mit Optionen, bei denen ein Rückkauf der Option eher die Ausnahme als die Regel ist, hat diese Gamma-Eigenschaft weniger praktische Relevanz. Zwar sieht man auch da, wie die (unrealisierten) Verluste immer schneller steigen, wenn ein Kurs ans Geld kommt, aber das ist kein Grund zur Sorge. Schließlich ist es Teil der Strategie, die Aktien gelegentlich zu erwerben (Put) und wieder zu verkaufen (Call).
θ
Theta: Zeitwertverlust (Time Decay)
Theta (θ) ist „des Stillhalters Freund“. Jede Option verliert unaufhaltsam an Zeitwert, sobald sie geschrieben wird, bis bei Verfall nur noch der innere Wert übrigbleibt, sofern die Option im Geld steht.
Theta beziffert, wie viel Zeitwert eine Option pro Tag verliert – sprich, den Zeitwertverlust. Das ist das Geld, was der Stillhalter verdient, wenn nichts anderes passiert. Theta wird sowohl für Calls als auch Puts als negative Zahl (=Wertverlust) dargestellt, auch wenn sie aus Stillhaltersicht positiv ist.
Eine Option mit einem Wert von $1,00 und einem Theta von -0,1 wird demnach nach einem Tag, sofern sich sonst nichts ändert, nur noch $0,90 wert sein. Damit hat der Stillhalter an einem Tag $10 (=$0,10 x 100 Aktien) „verdient“. Realisieren könnte er diesen Gewinn durch den Rückkauf der Option für $0,90.
Theta hat einige wichtige Eigenschaften, die wir bereits im Beitrag zur Bewertung von Optionen zum Thema Zeitwertverlust kennengelernt haben. Hier daher nur das Wichtigste in Kürze:
- Theta ist nicht linear. Vor allem bei Optionen, die in der Nähe vom Geld stehen, verläuft der Zeitwertverlust von Optionen zunächst langsam, und nimmt dann in den letzten 60 Tagen vor Verfall immer weiter zu.
- Theta ist am Höchsten bei Optionen, die am Geld („At The Money“) stehen. Das liegt daran, dass am Geld der Zeitwert am Höchsten ist, und damit auch der Zeitwertverlust.
- Theta steigt bei zunehmender Volatilität. Auch das lässt sich dadurch erklären, dass mehr Volatilität einen höheren Zeitwert bedeutet, der wiederum einen höheren Zeitwertverlust mit sich bringt.
Für den Cashflow-orientierten Stillhalter ist Theta in der Regel die #1 Quelle für Cashflow. Jede „Out of The Money“ verkaufte Option, ob Cash-Secured Put oder Covered Call, zieht ihren Wert per Definition aus dem Zeitwert. Der Zeitwert verfall wandelt (sofern nichts anderes passiert) diesen Zeitwert in Gewinn um. Der tägliche Gewinn entspricht dem Betrag Theta.
Bei einer Strategie wie Cashflow mit Optionen, wo Optionen im Normalfall bis Verfall gehalten werden, ist Theta nicht so kriegsentscheidend, wie für andere Strategien, die darauf aus sind, aus einem möglichst schnellen Zeitwertverlust Kapital zu schlagen.
Dennoch ist Theta eine interessante Kenngröße: das Portfolio-Theta zum Beispiel gibt an, wie viel Gewinn man als Stillhalter mit seinem aktuellen Portfolio (aus verkauften Puts und Calls) an einem Tag realisiert (wie immer, wenn sonst nichts passiert).
ν
Vega: Implizite Volatilität
Kommen wir nun zum letzten der vier wesentlichen Griechen: Vega (ν). Die implizite Volatilität ist neben dem Zeitwertverlust die zweite Variable, die den Zeitwert beeinflusst. Es gilt: je höher die Volatilität, desto höher der Zeitwert.
Vega zeigt an, um wieviel der Preis einer Option steigt, wenn die implizite Volatilität der Aktie um 1% zunimmt. Vega wird sowohl bei Calls als auch Puts als positive Zahl dargestellt (=Optionswert nimmt zu, wenn Volatilität zunimmt), auch wenn sie aus Sicht des Stillhalters (nach dem Optionsverkauf) negativ ist.
Nehmen wir wieder zwei Beispiele:
- Die Prämie eines Calls mit Vega $0,05 ist aktuell $2,50: nimmt die implizite Volatilität um 1% zu, steigt die Prämie auf $2,55, nimmt sie um 1% ab, sinkt die Prämie auf $2,45.
- Die Prämie eines Puts mit Vega $0,20 ist aktuell $6,00: nimmt die implizite Volatilität um 1% zu, steigt die Prämie auf $6,20, nimmt sie um 1% ab, sinkt die Prämie auf $5,80.
Eine wichtige Anmerkung an dieser Stelle ist, dass Änderungen der impliziten Volatilität aus Änderungen der Optionsprämien abgeleitet werden, und nicht umgekehrt. Wie wir im Beitrag zur Bewertung von Optionen gelernt haben, berechnet sich der Zeitwert einer Option aus der Differenz zwischen dem Optionspreis an der Börse und dem inneren Wert der Option.
Es ist also nicht so, dass man IV unabhängig berechnet, und sich daraus der Optionspreis erschließt. Viel mehr gibt der Preis, zu dem Marktteilnehmer an der Börse handeln, Aufschluss über die erwartete Volatilität des Aktienkurses über die Optionslaufzeit: je höher die wahrgenommene Unsicherheit großer Kursschwankungen, desto höher ist IV und damit auch Vega.
Vega hat zwei wichtige Eigenschaften, welche ebenfalls auf nachfolgender Abbildung deutlich zu erkennen sind:
- Vega ist am Höchsten bei Optionen, die am Geld („At The Money“) stehen. Das liegt daran, dass am Geld der Zeitwert am Höchsten ist, und damit auch die Auswirkung einer Änderung der impliziten Volatilität auf die Optionsprämie.
- Vega nimmt im Laufe der Zeit ab. Das lässt sich dadurch erklären, dass Optionen mit längerer Laufzeit einen höheren Zeitwert haben, welcher aufgrund des Zeitwertverlusts (Theta) immer weiter abnimmt. Damit nimmt auch Vega ab, denn die Auswirkung einer Änderung in IV auf den (geringer werdenden) Zeitwert wird auch immer geringer.
Verlauf von Vega (implizite Volatilität) je nach Basispreis und Laufzeit
(Bild: eigene Darstellung)
Daraus ergibt sich: aus Stillhaltersicht wollen wir Optionen bei einer relativ hohen impliziten Volatilität (IV) verkaufen, was zu einer höheren Prämie führt, um dann davon zu profitieren, wenn die IV geringer wird. Wichtig ist das Wort „relativ“. Absolut gesehen werden nämlich „Blue Chips“ (fast) immer eine geringe IV haben, als Growth-Aktien.
Je nach Strategie heißt das aber nicht, dass man sich Aktien danach aussuchen sollte, wie hoch ihre absolute IV ist. Zwar ist der Zeitwert und damit die Rendite bei höherer IV per Definition erst einmal größer, aber das kommt eben auch mit zusätzlichem Risiko. Stattdessen sollte man sich den Verlauf der IV eines Unternehmens über die letzten Monate ansehen, und daraus schließen, ob die aktuelle IV relativ hoch oder relativ niedrig steht (im Vergleich zum Durchschnitt der Vergangenheit). Prinzipiell ist es dann vorteilhaft, eine Option zu verkaufen, wenn die IV relativ hoch ist (da sie im Laufe der Zeit wahrscheinlich wieder in Richtung Mittelwert abfallen wird).
Wie immer ist die Relevanz einzelner Faktoren stark von der Gesamtstrategie abhängig. Da bei Cashflow mit Optionen vorwiegend „Out of The Money“ Optionen mit eher kurzen Laufzeiten verkauft werden, fällt eine Optimierung des Verkaufszeitpunkts auf Basis der relativen IV eher weniger ins Gewicht.
Auf kurze Sicht geht es eher darum, ob eine bestimmte Option zum aktuellen Zeitpunkt eine mit den Renditezielen übereinstimmende Prämie liefert – und dabei spielt die implizite Volatilität natürlich eine entscheidende Rolle. Gerade bei einer eher konservativen Auswahl der Aktien („Blue Chip“), reicht die Prämie in einer Phase relativ geringer IV ggf. nicht aus, eine angemessene Rendite zu erzielen (es sei denn, man geht sehr nah ans Geld und erhöht dadurch auf andere Weise das Risiko).
Fazit: (wozu) braucht man als Cashflow-Stillhalter die Griechen?
- Es gibt viele Stillhalter-Strategien: einige davon nutzen Options-Griechen als Entscheidungshilfen, ob und wann eine Option verkauft wird; aber nicht alle Strategien berufen sich konkret auf diese Kennzahlen.
- Delta hat oftmals die größte praktische Relevanz, da es zur schnellen Einschätzung des Risiko-Rendite Verhältnisses einer Option genutzt werden kann.
- Theta und Vega geben Aufschluss darüber, wie sensibel eine Option auf Zeitverfall und Änderungen der impliziten Volatilität reagiert.
- Ob eine Strategie nun spezifisch auf diese Kennzahlen ausgerichtet ist oder nicht: es ist für jeden Stillhalter wichtig, die Zusammenhänge zu verstehen, die den Optionspreis beeinflussen.
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